Auf einen Blick
Projektbeschreibung
Im ZAFH-AAL (Ambient Assisted Living, dt. umgebungsunterstütztes Leben), das 2013 unter Leitung der Hochschule Furtwangen gegründet wurde, werden innovative Systeme und Technologien zur Unterstützung eines selbstständigen Lebens bis ins hohe Alter sowie zur Sicherung sozialer Beziehungen und Teilhabe für Menschen mit Hilfebedarf entwickelt. Derartige Ansätze werden mit Blick auf die demographische Entwicklung und auf Grund des Bedürfnisses einer immer größer werdenden Gruppe hochbetagter Bürger/-innen, möglichst lang autark im gewohnten Umfeld zu leben, dringend benötigt. Die dabei entstehenden Systeme und Technologien werden in einem interdisziplinären Verbund unter Berücksichtigung gerontologischer und sozialwissenschaftlicher Aspekte entwickelt.
Die Besonderheit des neuen Zentrums besteht in der engen Verflechtung zwischen technischen und sozialwissenschaftlichen Kompetenzen. Im ZAFH-AAL arbeiten Wissenschaftler*innen aus den Ingenieurwissenschaften, der Informatik, der Soziologie, der Pflegewissenschaft sowie der Gerontologie in konkreten interdisziplinären Projekten zur Entwicklung neuer Assistenzsysteme zusammen. Begleitend wird das Zentrum aber auch grundlegende Fragen zu Anforderungen, Trends und Rahmenbedingungen für AAL-Systeme untersuchen einen breiten partizipativen Diskurs zu ethischen, sozialen und rechtlichen Fragen vorantreiben.
In der ersten Förderphase des ZAFH-AAL (2013 - 2015) forscht die RWU an den Teilprojekten:
- Qualitative und quantitative sozialwissenschaftliche Grundlegung zu Anwendung und Nutzen von AAL-Technologien
(gemeinsam mit der Hochschule Furtwangen)
Dieses Teilprojekt ist den anderen fünf Teilprojekten vorgeschaltet und stellt wichtige Klärungen der Bedarfe in den verschiedenen Projektbereichen, bei den unterschiedlichen Zielgruppen (pflegebedürftige Ältere und Kranke) und in verschiedenen Pflegesettings bereits für die Konzeptionsphase zur Verfügung. Ein besonderes Augenmerk wird im ZAFH-AAL auf die Übergänge von verschiedenen Lebens- und Wohnsituationen (Pflegesettings mit zunehmender Unterstützungsbedürftigkeit) gelegt. Daher sollen diese Übergänge zwischen den Pflegesettings genauer untersucht werden.
- Kontextabhängige Erweiterung der Raumwahrnehmung für Blinde und Sehbehinderte
(gemeinsam mit der Hochschule Furtwangen, Katholische Hochschule Freiburg,
Mit fortschreitendem Alter lassen die verschiedenen sensorischen Fähigkeiten des Menschen, wie Sehen, Riechen und Hören nach, was zu Unsicherheiten bei der Gestaltung und Bewältigung des Alltags führen kann. Diese altersbedingten, körperlichen Veränderungen lassen sich nur in sehr speziellen Fällen und nur partiell durch technische Entwicklungen (z. B. Retina-Implantat, Cochlea-Implantat) mit aufwändigen chirurgischen Verfahren direkt überbrücken. Alternativ hierzu wird in diesem Forschungsprojekt ein einfaches portables System als Aufbau für einen handelsüblichen Rollator weiterentwickelt und im Feld getestet. Das technisches System ist in der Lage, mit Sensoren seine Umgebung wahrzunehmen. Die defizitäre Sinnesleistung des*r Benutzer*in kann durch Vibrationssignale teilweise ausgeglichen werden und versetzt Betroffene in die Lage, mit dieser Ergänzung des Sehsinns sicher, selbstbewusst und selbstständiger in der Umgebung agieren zu können.
- Erfassung der Verhaltens- und Bewegungsmuster im häuslichen Umfeld durch Beobachtung des Verbrauchsprofils von Energie, Wasser und Gas
(gemeinsam mit der Hochschule Furtwangen, Universität Tübingen, Katholische Hochschule Freiburg, Forschungszentrum Informatik)
Menschen im Alter und deren Angehörigen das Gefühl zu geben, in der eigenen Wohnung sicher zu sein, ist eine der Aufgaben der Zukunft. Ziel dieses Projektes ist, die technischen Voraussetzungen hierfür zu schaffen, unter den Randbedingungen unaufdringlich und kostengünstig. Zum Erreichen dieses Zieles wird versucht, abnormale Situationen durch Beobachtung des Bewegungsprofils und des Verbrauchprofils (elektrischer Energieverbrauch, Wasserverbrauch und Gasverbrauch) zu erkennen und diese zu bewerten, um hieraus eine Aktion abzuleiten. Abnormale Situationen könnten Stürze oder das fehlende Aufstehen aus dem Bett am Morgen sein. Genauso ist das fehlende Ausschalten des Herdes oder des Bügeleisens eine Situation, die vielen älteren Menschen und deren Angehörigen Sorgen bereitet. Es wird auch möglich, aus entsprechenden Verbrauchsprofilen zu ermitteln, ob typische Handlungsabläufe erfolgen (z. B. nächtlicher Gang zur Toilette: Lichter an/Lichter aus in einer bestimmten Reihung). Neben diesen offensichtlichen Situationen, kann durch die Untersuchung von Langzeitprofilen eine Veränderung des Verhaltens und des Bewegungsprofils erkannt werden. An dieser Stelle wird eine ethische und sozialwissenschaftliche Untersuchung notwendig, um zu einer Bewertung und qualifizierten Aktionen zu gelangen.
In der zweiten Förderphase des ZAFH-AAL (2015 - 2017) forscht die RWU an den Teilprojekten:
- AAL in der Qualifizierungspraxis und im Berufsalltag helfender Professionen
(gemeinsam mit der Hochschule Furtwangen)
Das Teilprojekt verfolgt erstens das Ziel, die Bedeutung von AAL-Technik in der ambulanten medizinischen und pflegerischen Berufspraxis aus Sicht beider Professionen detailliert zu ergründen. Zu diesem Zweck sollen ambulant tätige Ärzt*innen sowie Pflegefachkräfte und auch Mitarbeiter*innen von Pflegestützpunkten befragt werden u. a. zu ihren berufspraktischen Erfahrungen mit AAL-Technologien, zur Bewertung des potenziellen Nutzens dieser Techniken sowie zur Einschätzung der eigenen Kompetenzen im Zusammenhang mit AAL-Technik. Ferner stehen Fragen zum Einfluss von AAL-Technologien auf die Beziehung zu- sowie die Interaktion mit älteren Klient*innen sowie ihren Angehörigen im Mittelpunkt des Interesses. Des Weiteren geht es darum, zu erfahren, inwieweit solche Technologien das professionelle Selbstverständnis und Berufsrollen in Medizin und Pflege betreffen bzw. verändern und welche Konsequenzen sich daraus für die ambulante medizinisch- pflegerische Versorgung bei einem AAL-gestützten Leben im Alter ergeben?
Zweitens fokussiert das Projekt auf die Ermittlung der aktuellen sowie prospektiven Relevanz des Themas AAL in der medizinischen und pflegerischen Qualifizierungspraxis. Hierbei zielt das Projekt auf die Beantwortung folgender Fragestellungen ab: Welchen Stellenwert besitzt AAL in der Ausbildung beider Professionen, unter welchen Schwerpunkten wird es thematisiert, welche Kompetenzen werden vermittelt und wie schätzen Ausbildungsverantwortliche die diesbezügliche weitere Entwicklung ein? Zur Zielerreichung ist sowohl eine Dokumentenanalyse (bspw. Ausbildungsordnungen, Curricula, Modulhand- und Lehrbücher) vorgesehen als auch eine Befragung von Ausbildungsverantwortlichen in Medizin und Pflege.
- Intelligente Navigationsunterstützung für wahrnehmungseingeschränkte Menschen
(gemeinsam mit der Universität Tübingen, Hochschule Furtwangen)
Der in der ersten Projektphase entwickelte Prototyp eines Rollators für wahrnehmungseingeschränkte Menschen soll nunmehr im Hinblick auf eine sichere und robuste Funktionalität im Praxisalltag erweitert werden. Dafür werden Anregungen realisiert, die von blinden Benutzer*innen während der Feldtests in der ersten Projektphase gegeben wurden. Der intelligente Rollator soll ähnlich wie ein Blindenhund in der Lage sein, relevante Objekte in seiner Umgebung wie z. B. Bordsteinkanten oder Treppen zu erkennen und dem*r Benutzer*in zu signalisieren. Ein wichtiger Schlüssel zur erfolgreichen Etablierung einer Navigationshilfe ist die Analyse und Berücksichtigung von individuellem Benutzer*innenverhalten und Benutzer*innenpräferenzen.
Projektteam
Projektleitung
Prof. Dr. rer. cur. Maik Hans-Joachim Winter
Projektteam
Dorothea Reichert MscN, geb. Weber (ehem.)
Julia Weigt M.A. (ehem.)
Johannes Kamperschroer (ehem.)