Weingarten – Mitte März war Professor Dr. Wolfram Höpken, Professor für Wirtschaftsinformatik und Leiter des Instituts für Digitalen Wandel an der Hochschule Ravensburg-Weingarten (RWU), als Sachverständiger in den Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages eingeladen. In der öffentlichen Anhörung ging es um das Thema „Künstliche Intelligenz und Robotik – Chancen für den Tourismus“. Dabei wurden diverse Einsatzmöglichkeiten von KI und Robotik in der Tourismusbranche diskutiert.
Im Tourismussektor gibt es bereits eine Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungsgebieten von KI. „In fast allen Bereichen […] des Tourismus existieren mittlerweile praxistaugliche Lösungen“, so Höpken in seiner Stellungnahme. Im Einzelnen variiere die Praxistauglichkeit jedoch stark in Abhängigkeit des konkreten Anwendungsgebiets. Außerdem sei der Grad an Intelligenz der Systeme durchaus unterschiedlich. Zukünftig sei jedoch mit einer starken Zunahme der Durchdringung aller Tourismusbereiche mit KI-Lösungen zu rechnen.
Grundlegend muss zwischen schwacher und starker KI unterschieden werden: Die Fähigkeiten einer schwachen KI sind auf singuläre Aufgaben bzw. Problemstellungen beschränkt. Mit ihr können klar definierte Aufgaben mit einer festgelegten Methodik bewältigt werden, um komplexere, aber wiederkehrende und genau spezifizierte Probleme zu lösen. Im Gegensatz dazu kann eine starke KI den menschlichen Verstand komplett abbilden – von diesem Ziel ist man jedoch noch weit entfernt. Auf der Ebene der schwachen KI gibt es aber bereits in vielen Bereichen – nicht nur im Tourismus – erfolgreiche Modelle.
Chancen und Herausforderungen von KI im Tourismus
Wesentliche Vorteile von KI in der Tourismusbranche seien die „Steigerung der Produktivität und […] Reduzierung der Transaktionskosten bei gleichzeitiger Verbesserung der Kundenbindung“, erklärte Höpken, der unter anderem im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologiesysteme im Tourismus forscht. Beim Ausbau des KI-Einsatzes gebe es zwei Herausforderungen: Zum einen müsse spezifische Expertise im KI-Bereich in den Tourismusunternehmen aufgebaut und etabliert werden. Zum anderen brauche es sehr große Datenmengen, deren Beschaffung allerdings mit großem Aufwand verbunden sei.
„Der gezielte Einsatz von KI und verwandter Technologien kann dabei unterstützen, das Angebot einer Region möglichst flexibel und intelligent bereitzustellen und so die Transparenz des Angebots zu erhöhen“, erläuterte Höpken. KI eigne sich im Tourismus besonders gut dazu, Projektionen von Menschenansammlungen zu bestimmten Zeitpunkten anzufertigen. Damit ließen sich Touristenströme besser lenken, „sowohl im Sinne des Kundennutzens als auch der Verträglichkeit mit der Umgebung“, beispielsweise in sensiblen Umweltbereichen, in denen sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig aufhalten sollen.
Politischer Handlungsbedarf gefragt
Damit all das gelingen könne, sei politischen Handlungsbedarf nötig, so Höpken. Er nannte zwei wichtige Faktoren: Zum einen die (Weiter-)Qualifizierung der Mitarbeiter touristischer Betriebe. Zum anderen sei ein „genereller Mangel an interdisziplinärer, die Bereiche Tourismus und IT/KI verknüpfender Lehre und Forschung an Hochschulen und Universitäten“ festzustellen. Es bedarf neben Weiterbildungsprogrammen und Innovationszentren in diesen Bereichen ebenso interdisziplinäre Studiengänge und Forschungsprojekte. „Um“, so stellte Höpken klar, „die Abhängigkeit des Tourismussektors von insbesondere US-Amerikanischen IT-Konzernen zu reduzieren und tourismusspezifische und auf die Bedürfnisse deutscher oder europäischer Tourismusunternehmen und Regionen zugeschnittene KI-Lösungen zu entwickeln.“
Neben Höpken waren noch vier weitere Sachverständige aus diversen Tourismusunternehmen zur öffentlichen Anhörung geladen. Gemeinsamer Konsens war es, dass im Tourismusbereich durch KI bereits in naher Zukunft eine Menge neuer Möglichkeiten und Anwendungen zu erwarten seien. Es müsse jedoch noch viel getan werden, um das Potential optimal nutzen zu können, vor allem in den Bereichen Aus- und Weiterbildung sowie Forschung.
Die gesamte Stellungnahme zum Nachlesen finden Sie hier.
Text: Prof. Dr. Wolfram Höpken / Lisann Gauß